Liebe Gang Gang
Seitdem mich die Flutwelle erwischt und unter das Wasser gedrückt hat, sind einige Monate vergangen.
Ich habe mich auf einer Insel wiedergefunden. Diese Insel scheint sehr gross zu sein und wenn ich schon einmal da bin, dann möchte ich sie auch erkunden.
Bis jetzt konnte ich mich allerdings noch nicht vom Strand lösen.
Er ist wunderschön, der Sand weich und dunkelgelb. Die Morgensonne vertreibt oft den Nebel, welcher sich in der Nacht verbreitet hat. Die Abendsonne bringt das Meer in ein bezauberndes Schimmern. Das Wasser scheint so ruhig und brav, dass es mich manchmal vergessen lässt, dass ich wegen ihm hier bin.
Eigentlich ist das nicht ganz wahr, denn ich bin losgezogen als sich bereits viele dunkle Wolken am Himmel ersichtlich machten. Ich habe das Risiko auf mich genommen. Aus diesem Grund ist es falsch, die ganze Schuld dem Wasser zu geben.
Trägt das Salzwasser überhaupt eine Schuld? Vielleicht hat es mich vielmehr vor einem Hurricane beschützt und mich an einen sicheren Ort gebracht.
Wie auch immer.
Ich versuche mich an das Inselleben zu gewöhnen. Einen WLAN Anschluss habe ich nun ja, damit ich mit euch kommunizieren kann und einen Namen habe ich der Insel auch bereits gegeben. Odi's Welt.
Ich brauchte viele Tage um mich mit dem Wichtigsten einzurichten, damit ich hier auf dem Neuland sicher bin und überleben kann.
Als Tage zu Monate wurden, habe ich versucht mich vom Meer abzuwenden, es zu ignorieren, denn sobald ich es mit meinen Augen betrachtete, saugte es mich wie ein Magnet an und wollte mich wieder zurück im Wasser und weg vom sicheren Land haben.
Das mit dem ignorieren funktionierte ganz gut.
Ich lief am Ufer entlang, Kilometer für Kilometer. Mein Blick starr auf den Sand unter meinen Füssen gerichtet.
Vor ein paar Wochen hörte ich ein Geräusch draussen auf dem weiten mehr. Ohne mir Gedanken zu machen sah ich auf und blickte auf das unendlich scheinende Meer. Vor meinen Augen kamen wie in Puzzleteile, alle Erinnerungen zur Flutwelle wieder hoch. Auch der Schmerz. In Wirklichkeit gab es kein Geräusch es war "nur" meine Sehnsucht nach meiner Vergangenheit.
Ich musste mir eingestehen, dass Verdrängung keine langanhaltende Lösung ist. Ich bin gemacht um das Meer anzuschauen. An manchen Tagen tut es mehr weh, an anderen kann ich auch mal was magisches und schönes erkennen.
Es ist nicht einfach, jeden Tag beim oder oft auch im Wasser zu sein, doch spüre ich noch immer eine tiefe Verbundenheit und ich weiss nicht was geschehen würde, wenn ich nicht mehr im salzigen Meer baden könnte.
Würde ich es lange vermissen?
Würde ich es gar nicht vermissen?
Würde ich vielleicht sogar Heimweh bekommen?
xoxo Odi

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